Telenotarzt in Bayern
Der Telenotarzt ist ein reguläres Einsatzmittel des Rettungsdienstes, welches derzeit sukzessive in Bayern eingeführt wird. Für den Freistaat sind nach aktuellem Stand insgesamt drei Telenotarztstandorte geplant, die jeweils für mehrere Rettungsdienstbereiche zuständig sein und somit das gesamte Staatsgebiet abdecken werden.
Als erstes wird ein Telenotarztstandort mit sieben regulären Telenotarzt-Arbeitsplätzen im Rettungsdienstbereich Straubing (Telenotarztstandort Ost in Bogen) eingerichtet. Dieser ist voraussichtlich für acht Rettungsdienstbereiche zuständig:
Straubing
Landshut
Passau
Traunstein
Rosenheim
Oberpfalz-Nord
Regensburg
Region Ingolstadt
Der Betreiber des ersten Telenotarztstandortes in Bayern in Straubing-Bogen wie auch der für die bayernweit einheitliche, standortübergreifende Systemtechnik zuständige Lieferant wurden bereits auf der Grundlage von europaweiten Vergabeverfahren beauftragt. Für den Betrieb des Telenotarztstandorts Ost hat der Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Straubing der RKT Rettungsdienst gGmbH die Konzession erteilt. Die TNA-Systemtechnik wird im Auftrag des Freistaates Bayern von der Fa. GS Elektromedizinische Geräte G. Stemple GmbH, bekannt unter dem Firmennamen corpuls, geliefert. Von Anfang an wird das Projekt zudem von der Fa. Rücker + Schindele Beratende Ingenieure GmbH mit Fachplanung und Projektmanagement verantwortet.
In den nächsten Monaten werden die Arbeitsplatzinfrastruktur für die Telenotärzte am ersten Standort eingerichtet, die Rettungsdienstinfrastruktur der Einsatzfahrzeuge technisch telenotarztfähig gemacht, die Telenotärzte und die Einsatzkräfte der Durchführenden nach bayernweit einheitlichen Curricula geschult und die Disponenten in den Integrierten Leitstellen vorbereitet. Der Rollout wird im Rettungsdienstbereich Straubing beginnen, hintereinander oder ggf. auch parallel sollen die weiteren Rettungsdienstbereiche in der
o. g. Reihenfolge eingebunden werden.
Gemäß Ministerratsbeschluss vom 9. Juli 2019 wird der Telenotarzt dann Schritt für Schritt flächendeckend in ganz Bayern aufgebaut. Mit der am 1. Mai 2022 in Kraft getretenen Änderung des Bayerischen Rettungsdienstgesetzes (BayRDG) wurde der Telenotarzt als neues Einsatzmittel gesetzlich verankert.
Warum wird der Telenotarzt eingeführt?
Das bestehende bodengebundene Notarztsystem steht vor großen Herausforderungen, dies sind insbesondere:
- Allgemeiner Ärztemangel, der auch im Notarztdienst zunehmend zu Besetzungsproblemen vor allem im ländlichen Bereich führt.
- Lange Bindungszeiten des Notarztes durch Transportbegleitung in Kliniken vor allem unter Berücksichtigung der sich aktuell verändernden Kliniklandschaft.
- Fehlen einer rasch zugänglichen, einfachen und niederschwelligen Unterstützungsfunktion für nichtärztliches Rettungsdienstpersonal in Zweifelsfällen.
- Fehlen einer zusätzlichen Entscheidungs-, Unterstützungs- und Kompetenzebene für den Notarzt vor Ort in besonders komplexen Fällen.
Mit dem Telenotarzt als ergänzendes regelhaftes und hochqualifiziertes arztbesetztes Rettungsmittel soll diesen Herausforderungen frühzeitig begegnet werden. Dabei wird mit dem überregional verfügbaren Telenotarzt das bestehende boden- und luftgebundene Notarztsystem digital ergänzt. Spezifische Einsätze werden weiterhin die manuellen Fertigkeiten und Fähigkeiten und damit die Anwesenheit eines physischen Notarztes am Einsatzort erfordern. Jedoch soll diese knappe und wertvolle Ressource gezielter für Einsätze zur Verfügung stehen, bei denen tatsächlich ein Notarzt vor Ort gebraucht wird. Das TNA-System wird damit zu einer Fortentwicklung im Notarztsystem führen und idealerweise unter Betrachtung der geschilderten Herausforderungen von Vorteil für alle am Rettungsdienst Beteiligten, vor allem aber für den Patienten sein.
Was bringt der Telenotarzt für den Rettungsdienst?
Ziel ist es, im Sinn einer Verbesserung der Patientenversorgung notärztliches Fachwissen bedarfsgerechter einzusetzen, das notarztfreie Intervall zu verkürzen und die knappe Ressource Notarzt physisch an den Einsatzorten schneller (wieder) verfügbar zu haben. Zeitaufwändige Nachforderungen von Notärzten können ggf. vermieden werden oder Transportbegleitungen durch sie entfallen. Bei unklaren Situationen kann der Telenotarzt dazu beitragen, auf Basis von Daten und Informationen Entscheidungen zu treffen oder die Notwendigkeit einer Notarztnachforderung zu klären. Darüber hinaus kann auf Auskünfte zurückgegriffen werden, die üblicherweise im Rettungs- und Notarztdienst vor Ort nicht zeitnah zur Verfügung stehen.
- Verkürzung des arztfreien Intervalls:
Telemedizin ermöglicht dem unmittelbar behandelnden nichtärztlichen Rettungsdienstpersonal bei Untersuchung, Überwachung und Behandlung des Patienten den schnellsten Zugriff auf ärztliches Wissen. Die Zeit bis zum Eintreffen eines eventuell parallel alarmierten Notarztes wird verkürzt, eine umfassende Diagnostik und Therapie kann nach Eintreffen eines nicht ärztlich besetzten Rettungsmittels bei medizinischer Notwendigkeit umgehend eingeleitet werden. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn sich der Einsatz eines Notarztes vor Ort verzögert oder nicht möglich ist, weil der Notarzt z. B. durch andere Einsätze gebunden ist oder einen langen Anfahrtsweg bewältigen muss.
- Optimierte Verfügbarkeit und Nutzung der Ressource Notarzt:
Der Telenotarzt kann bei stabilen, nicht akut vitalgefährdeten Patienten, bei denen ggf. eher ärztliche Entscheidungen als invasive Maßnahmen und damit manuelle Fertigkeiten und Fähigkeiten eines Notarztes notwendig sind, zur Entscheidungsfindung hinzugezogen werden und den Transport in ein Krankenhaus vermeiden oder bei Bedarf begleiten, so dass die wertvolle und knappe Ressource Notarzt nicht physisch vor Ort eingesetzt werden muss, für kritischere Einsätze zurückbehalten werden kann und schneller wieder verfügbar ist.
- Zusätzlicher Berater:
Das nichtärztliche Rettungsdienstpersonal, aber in besonders komplexen Fällen auch der Notarzt vor Ort, haben die Möglichkeit, sich von einem sehr erfahrenen Kollegen – dem Telenotarzt – beraten und sich bei der Durchführung bestimmter, v. a. nachweislich selten durchgeführter Maßnahmen, unterstützen zu lassen (z. B. Einleitung einer Narkose, Anlage einer Thoraxdrainage). Durch seine hohe fachliche und soziale Kompetenz sowie eine geschützte, strukturierte Arbeitsbasis bietet der Telenotarzt dadurch zusätzlich Sicherheit.
Weitere Informationen zum Telenotarzt finden Sie bei den FAQ.